Die Undurchlässigkeit der Gesellschaftsschichten im 19. Jahrhunderts bedingte eine enge Verknüpfung zwischen sozialer Stellung des Elternhauses und dem Bildungs- und Lebensweg. So war auch der Lebenslauf Otto Weerths durch die gesellschaftliche Position seiner Familie bestimmt, welche dem Bildungsbürgertum zuzuordnen ist.
Aus dem Rheinland stammend, wurde sein Großvater Ferdinand Weerth (1774-1836) von der Fürstin Pauline im Jahre 1805 nach Lippe berufen, um die Stellung des fürstlich-lippischen Generalsuperintendenten als Nachfolger von Ludwig Friedrich August von Cölln zu besetzen. Sein 1811 erschienenes Lehrbuch „Leitfaden für den Religionsunterricht in den Schulen“ ersetzte den Heidelberger Katechismus und sorgte auch noch Jahre nach seinem Tod für Streit mit pietistisch-orthodoxen Pfarrern. Von 1805 bis 1830 hatte er die erste Pfarrstelle in Detmold inne. Während dieser Zeit baute er das Lehrerseminar aus und erteilte den Söhnen der Fürstin Pauline Religionsunterricht. Seitdem ist die Familie Weerth mit der Stadt Detmold verbunden und deren Mitglieder haben sich in vielerlei Hinsicht um das Land Lippe verdient gemacht.
Im Jahr 1812 wurde Carl Weerth als erstes von fünf Kindern aus der Ehe zwischen dem vorgenannten Ferdinand Weerth und dessen Frau Kornelia Franziska Wilhelmina Burgmann (1785-1868) geboren. Carl Weerth, späterer Mentor Otto Weerths, war Lehrer für Naturwissenschaften am Detmolder Gymnasium und einer jener vierzig lippischen Bürger, welche 1835 den Naturwissenschaftlichen Verein gründeten. Die Landeszeitung bezeichnete ihn in einem Artikel zum hundertjährigen Bestehen des NHV auf Grund seines „umfassenden Wissens“ als „Seele des Vereins“.
Georg Weerth (1822-1856) ist wohl der über die Grenzen Lippes hinaus am bekanntesten gewordene Sprössling der Familie Weerth. Mit seiner politischen Dichtung gelangte er zu Berühmtheit und erregte im Revolutionsjahr 1848 als Redakteur der von Karl Marx geleiteten „Neuen Rheinischen Zeitung“ Aufsehen. Seine Satire auf das preußische Junkertum „Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski“, mit der er den Fürsten Lichnowsky diskreditiert hatte, brachte ihm im Juli 1849 drei Monate Gefängnis und eine Geldstrafe ein. Georg hatte seine Heimat bereits im Alter von sechzehn Jahren verlassen, um eine kaufmännische Lehre in Elberfeld zu beginnen. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe widmete er sich wieder vornehmlich seinem Beruf als Kaufmann. Stetigen brieflichen Kontakt zu seiner Familie – vor allem zu seiner Mutter Wilhelmina und seinem Bruder Gottfried Wilhelm, Otto Weerths Vater – hielt er auch während seiner späteren Handelsreisen in England, Belgien, den Niederlanden und Frankreich aufrecht. Auf Grund zahlreich erhalten gebliebener Schreiben dieser familiären Korrespondenz ist es daher möglich, die ersten Jahre der Familiengeschichte Otto Weerths an Hand exemplarischer Briefe zu resümieren.
Ebenso wie Otto Weerths Großvater trat auch sein Vater Gottfried Wilhelm (1815-1884) in den kirchlichen Dienst. Zuvor aber hatte er 1837 in Göttingen sein Examen „zur vollen Zufriedenheit seiner Examinatoren“, wie er seinem Bruder Georg mitteilte, bestanden. Nachdem er seit 1838 fünf Jahre lang eine Rektorenstelle in Horn inne hatte, absolvierte er eine zweijährige Kandidatenzeit zum geistlichen Amt in Blomberg. Diese zwischenzeitliche Lehrtätigkeit war wohl notwendig, da es zu dieser Zeit eine „Schwemme“ angehender Pastoren gab. Seine erste ordentliche Pfarrstelle besetzte er in Blomberg seit 1845 als Pfarrgehilfe. Aus dem Revolutionsjahr 1848 sind nur wenige Briefe seines Bruders Georg auf Grund der Wirren dieser Zeit erhalten, bzw. verfasst worden. Dennoch findet die Vermählung seines Bruders Gottfried Wilhelm mit Charlotte Helene Reinold (1828-1903) im selben Jahr Erwähnung. Wie die Mutter Wilhelmine ihrem Sohn Georg zu Ostern 1848 berichtet, stand die Hochzeit von Charlotte Helene und Gottfried Wilhelm kurz bevor. Gottfried Wilhelm war bereits im Begriff, das Pfarrhaus in Blomberg zu beziehen.
So wie Otto Weerths Vater entstammte auch seine Mutter, Charlotte Helene, einer bürgerlichen Familie. Ihr Vater praktizierte als Arzt in Blomberg. Ihre Mutter kam aus der in Lippe bekannten Familie Piderit. Nach etwas mehr als einem Jahr, am 21.06.1849, wurde Otto Weerth als erstes Kind aus dieser Ehe geboren.
Vier Tage darauf übermittelte Georg Weerth seinem Bruder in einem Brief vom 25. Juni 1849 „...Gratulation zu Deinem Jungen [Otto Weerth, d.V.]“ und sprach „den herzlichsten Gruß“ an dessen Frau Charlotte Helene aus. Zwei Jahre später wurde die erste Tochter geboren, Maria Wilhelmina Karolina (1851-1925). Im folgenden Jahr zog die Familie nach Oerlinghausen. Gottfried Wilhelm Weerth war am 19.01.1852 zur Übernahme der dortigen Pfarrstelle berufen worden. Nach dem Umzug von Blomberg nach Oerlinghausen wurde eine weitere Schwester geboren, Julia Antonia (1855-1935). Hierzu beglückwünschte Georg Weerth im Juni 1855 in einem seiner letzten Reiseberichte den Bruder „...von Herzen zu dem Töchterchen, welches ich ebenfalls in kurzem kennenzulernen denke“. Der jüngste Bruder Otto Weerths, Georg Ferdinand Friedrich (1858-1925) wurde wohl nach seinem 1856 in Havanna an den Folgen einer Fleckfiebererkrankung gestorbenen Onkel benannt.
Während die beiden Schwestern unverheiratet blieben, ehelichte Georg Ferdinand Friedrich im Jahr 1895 Elise Schneider.
Dieser Text ist ein Auszug aus: Otto Weerth. In: Lippische Mitteilungen 2002, S. 265-331. Fußnoten finden Sie dort.
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